Arthur Heilmann (Theologe):
Liebe Freunde,
Wer von uns kennt sie nicht, die essentiellen Fragen
am Jahresende? Haben wir das Jahr gut bestanden? Haben wir Fehler gemacht,
und wenn, waren sie gravierend oder gar unverzeihlich? Haben wir erreicht
was wir wollten in diesem Jahr? Oder gab es einen Fehlschlag nach dem anderen?
Sind unsere Beziehungen gescheitert? Haben wir beruflich versagt? Ist unsere
finanzielle Situation eine verheerende? Gerade zum Jahresende fällt
es uns oft schwer, uns von diesen belastenden Gedanken und Zweifeln zu
befreien. Einiges hätten wir gerne besser gemacht in diesem Jahr,
anderes lieber unterlassen. Unsere Vorsätze waren positiv und aufmerksam
gewesen, wir hatte das Allerbeste im Sinn und es ist uns nicht ganz gelungen.
Manchmal zweifeln wir sogar, ob uns jemals irgendetwas in unserem Leben
gelungen ist, etwas das wir vorzeigen können, auf das wir stolz sind.
Und dann überfällt uns genau zu dieser Zeit, in der andere ihre
Erfolge feiern und ihr Glück bejubeln, eine Sylvesterdepression, die
uns nicht gefällt, aber der wir uns ausgeliefert fühlen. Noch
dazu will man die anderen nicht nerven und wirklich, niemand hat eigentlich
Lust sich die Jammerei anzuhören. Nur wir selbst wissen, wie
schlimm es um uns steht, wie schlecht wir dastehen vor uns selbst, da wir
anscheinend unfähig waren unsere guten Vorsätze in die Tat umzusetzen.
Was würden wir uns hier wünschen von jemandem,
der wirklich unser Freund ist? Daß er uns den Arm um die Schulter
legt und sagt - alles ist o.k. - Gott liebt dich, so wie er alle Sünder
liebt - Ja, das ist schön, hier sind wir geborgen, aber reicht
uns das wirklich? Möchten wir nicht selber etwas tun, aktiv, um unser
Leben positiver, freudiger und für uns sinnvoller zu machen? Laßt
uns mit einer einfachen Übung beginnen. Wir hatten gerade sehr viel
Aufmerksamkeit auf der negativen Seite. Laßt uns einmal alle positiven
Erlebnisse , Taten und Begegnungen dieses Jahres aufzählen. Was verändert
sich dadurch? Wie fühlen wir uns jetzt? Wenn wir den Focus unserer
Aufmerksamkeit verschieben, werden wir eine Veränderung erleben. Etwas
Neues hält Eizug, das neue Jahr kann beginnen. Wir sind bereit uns
vom Alten zu lösen, von alten Bewertungen zu verabschieden, und das
Neue, das, was wir erleben wollen, zu begrüßen.
Spät im Jahre, tief im Schweigen
dem, der ganz sich selbst gehört,
werden Blicke niedersteigen,
neue Blicke unzerstört.
Keiner trug an deinen Losen,
keiner frug, ob es gerät -,
Saum von Wunden, Saum von Rosen -,
weite Blicke, sommerspät.
Dich verstreut und dich gebunden,
dich verhüllt und dich entblößt -,
Saum von Rosen, Saum von Wunden -,
letzte Blicke, selbsterlöst.
(Gottfried Benn)