Die Sonntagspredigt vom 10. August 1997
Arthur Heilmann (Theologe):
An die Freude
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen !
Diesen Kuß der ganzen Welt......
Friedrich Schiller
Freude
Liebe Freunde,
Können wir Freude wählen? Als Seinszustand? Oder können wir es nicht. Fragen wir uns.
Wann empfinden wir Freude? Wenn wir etwas wirklich gerne tun. Wenn wir es nicht nur lieber tun, als etwas anderes, sondern wenn es nichts gibt, das zwischen uns, und dem , was wir gerne tun , liegt. Wir tun es einfach gerne und erleben einen Moment der Freude. Einen langen Moment, einen kurzen Moment....Die Haut eines geliebten Menschen berühren....ein lauer Garten im Sommer....eine wunderschöne Musik ....so stellen wir uns Freude vor, so kennen wir vielleicht Freude. Oft fühlen wir Freude an kleinen Dingen, an Gedanken, an Worten, an Menschen, die wir schätzen und lieben, an einem schönen Tag, an der Sonne. Freude ist Harmonie. Ein ruhiges, doch ekstatisches Strahlen aus unserer Mitte, ein Strom purer positiver Energie direkt aus dem Zentrum unseres Seins. Freude ist ein leuchtender, warmer Magnet, der mehr und mehr Freude anzieht. Wenn wir Freude fühlen, haben wir keine Sehnsucht, kein Verlangen. Freude ist ein FREUDENFEUER. Freude vibriert und pulsiert in hoher Energie und fühlt sich gleichzeitig wohl und sicher an. Hier erstrahlen wir. Hier sind wir zuhause.
In Freude zu leben ist ein Geschenk. Nicht nur für den, der in diesem Zustand lebt, sondern für alle, die mit ihm zu tun haben. Wenn wir Freude empfinden, sind wir nicht egozentrisch verhaftet an unserem Selbst der ewig kreisenden Gedanken und alltäglichen Schwierigkeiten. Wir verlieren dieses " Selbst " im Zustand der Freude. Wir sind im Zustand der Gnade, im Jetzt - Zustand, im fließenden Zustand des Erlebens von Freude. Wir sind hier sicher, wir sind angekommen.
Was hält uns davon ab, in Freude zu leben? Denken wir, wir müssen zuerst unser Leben verbessern, unsere Lebensumstände geraderichten? Denken wir, wir müssen wirklich Wichtiges, Bedeutendes, geleistet haben, um uns die Erlaubnis zu geben, Freude zu empfinden? Oder im Zustand der Freude zu leben? Gibt es Regeln oder Gesetze, die einen Grund zur Freude fordern? Welcher Grund ist das, und wer hat diese Regeln und Gesetze erfunden?
Was wäre wenn....wir aufhörten, unsere Lebensumstände , unser Leben im Ganzen, bestimmen zu lassen, wie glücklich wir sind?
Grundlos glücklich sein. In Freude leben ohne bestimmten Grund. Das ist eine Entscheidung, die wir treffen können. Wir brauchen keinen Grund zur Freude, wir entscheiden uns dafür. Diese Entscheidung ist vielleicht die größte und bedeutendste, die wir treffen, für uns und für die Welt - die Entscheidung für Freude - in Freude zu leben.
....warum gibt es nur eine Klagemauer, warum hat noch nie jemand eine Freudenmauer gebaut?
Ingeborg Bachmann/Malina