Arthur Heilmann (Theologe):
Dürfen wir eigentlich leiden? Oder ist Leiden etwas Böses? Etwas, das wir zu bekämpfen haben? Wogegen wir massiv vorgehen müssen?
Diese alte katholische Tradition des Leidens ist doch nicht mehr angebracht - zumindest nicht mehr zeitgemäß. Leute von heute leiden nicht. Sie sind glücklich. Ihnen geht es gut. Wer leidet, ist selbst schuld daran, oder er führt sich als Opfer auf und sollte bestraft werden. Niemand mag das Leiden. Leidende sind hässlich, unattraktiv und gesellschaftsschädigend. Der Kurs steht anders. Er steht auf die Glücklichen. Auf die Hoffnungsträger, die Gesunden bzw. Sanierten. Die Staatsträger mit Hoffnungsgürtel. So ist es. Wer leidet, schädigt die anderen, und drückt sich vor der Eigenverantwortung.
Das ist zumindest eine gängige Meinung über das Leiden.
Eine andere Meinung wäre z.b. positiv. Was können wir am Leiden Positives finden? Gibt es das überhaupt? Und da sind wir auf der Fährte! Wo positiv ist, da muß auch negativ sein. Das ist das Gesetz der Polarität. Also positiv: Leiden ist positiv wenn es als solches erkannt und nicht verdrängt wird. Schlimmer als Nicht - Leiden ist doch das verdrängte Leiden, das so tut, als wäre es keines. Das Leiden, das in Verkleidung daherkommt. In der Verkleidung des Glücks sogar daherkommt. Wo Glück ist, da ist auch Unglück. Sagt das Gesetz der Polarität. Also Leiden. Wo Glück ist, da ist also Leiden.
Worunter wir leiden ist einfach, liebe Freunde. Wir leiden
an Liebesschmerz, an körperlichem Schmerz, an Seelenschmerz, an Verlust-
und Trennungsschmerz generell. Oder doch nicht? Leiden wir am Schmerz?
Generell? Oder leiden wir an der Bedeutung des Schmerzes? An dessen Bewertung?
Daß alles so schlimm ist, und an was es uns alles erinnert?
Schmerz ist ein Gefühl und ändert sich schnell,
wenn er gefühlt wird. Wie alle Gefühle. Die Aufrechterhaltung
des Schmerzes ist kein Gefühl. Es ist die Aufrechterhaltung des Schmerzes,
und wertet seine Bedeutung. Das ist Leiden. Das ist nicht böse. Das
ist was es ist.
Wir wünschen uns Glücklichsein. Wir wollen das Leiden vermeiden. Die andere Seite des Glücklichseins ist das Leiden. Die andere Seite des Leidens ist das Glücklichsein. Beides zu fühlen und nicht zu bewerten ist der Weg und das Ziel.
Leiden und Glücklichsein ohne Bewertung heißen
Schmerz und Freude. Das sind echte Gefühle. Sie dauern nicht lange.
Sie sind da, um gefühlt zu werden. Das ist alles. Ohne Bedeutung.
Ist das eine schmerzliche Erkenntnis? Frage ich Sie, liebe Freunde.....