Die Sonntagspredigt vom 18. Januar 1998
Arthur Heilmann (Theologe):
Nichts geht mehr
Jetzt im Frühling
kann ich die Sprache der Äcker
nicht mehr verstehn
und die Toten schauen
mit großen Augen mich an
und der Weizen schäumt
und der Fluß redet mir vom Himmel...
Wo die Kinder lachen,
da ist mein Land mir
fremder als alle Länder
der Erde
(Thomas Bernhard)
Liebe Freunde,
Nichts geht mehr. Das Spiel ist aus. Der Morgen blüht uns nicht, der Abend quält uns. Und die lange zerstörerische Nacht beginnt mit fürchterlichen Gedanken. Immer den gleichen. Sie kreisen um Schuld, um Krankheit und Tod, um persönliches Versagen, ungelebtes Leben, niemals erschlossene Sehnsüchte und den faulen Geschmack zuviel gegessen zu haben. Unsere Aufmerksamkeit hat sich festgefressen an den Lieblingsthemen unserer Existenz. Wir zweifeln an allem und sind vollkommen mutlos. Unsere Energie fließt nicht mehr. Die Dinge die wir betrachten zeigen ihre negative Seite. Das ist anscheinend unser Land, das uns fremd ist, unsere Welt, die uns fadenscheinig und hohl angrinst. Ist das wirklich unsere Welt? Und sind wir ihr wirklich gnadenlos ausgeliefert? Es ist kalt hier. Wir sehen uns um wie auf einem neuen Planeten. Wir sind von der Kälte durchzogen aber etwas neugierig. Lebensgierig. Was könnte es hier geben, das uns irgendwie vermag zu reizen? Welches Staubkorn, welcher Diamantsplitter liegt hier herum und fehlt uns? Wir sagten: nichts geht mehr. Ende. Aus. Und jetzt fehlt uns etwas. Sind wir z.B. alleine? Unverstanden? Quält uns eine Hürde? Eine Last? Ein>das schaffe ich nie!<? Oder müssen wir unaufhörlich tätig sein, mißgönnen uns etwas Ruhe und Fürsorge? Wissen wir nur nicht wie wirs den anderen erklären sollen? Unsere Lage und Stimmung? Haben wir Angst? Vor wem? Können wir uns ansehen und sagen: alles ist in Ordnung lieber Freund? Egal was ist, ich bin bei dir. Auf deiner Seite. Egal was kommt, ich halte deine Hand. Ich verlasse dich nicht. Niemals. In keinem Leben. Und dann laßt uns das Ding aufheben, das uns seine Minus-Seite gezeigt hat. Laßt es uns zu unserem Spiel machen und die Regeln von uns bestimmen. laßt uns nicht erschrecken davor, sondern es betrachten und beschreiben, egal wie unangenehm es uns vorkommt. Und dann etwas anderes. Etwas das z.B. draußen geschieht. Ein Mensch der vorbeigeht, was hat er an, wie ist sein Gang, seine Haltung? Und wieder zurück zu unserem Ding. Was gibt es noch zu sehen, noch zu beschreiben. Und weiter auf die Straße. Ein Auto, welche Farbe, welcher Fahrstil? Und wieder zurück...usw. so lange bis unsere Aufmerksamkeit nicht mehr festgefahren ist, bis es -klick-macht oder wir -Aha- sagen. Bis wir wieder hier sind und erkennen daß wir selbst bestimmen wie sich unsere Welt anfühlt. Und daß wir es tun können. Daß wir diese Kraft haben. Es ist unser Spiel. Unsere eigene Schöpferkraft. Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Das Spiel ist aus. Das nächste Spiel beginnt. Jetzt.