Die Sonntagspredigt vom 24. August 1997

Arthur Heilmann (Theologe):

Die Krise - durch die Finsternis zu den Sternen

 

Liebe Freunde,

Jeder von Euch erinnert sich an die Kuba - Krise. Die Welt war ein unsicherer Ort. Überall drohten Kriege und Besatzungen. Der Druck auf den berühmten roten Knopf war ein täglicher Angstfaktor - die Russen sollten kommen, oder die Amerikaner , der Ausgang schien bedrohlich und unabwendbar. Die Menschen wußten nicht, sollten sie Atomschutzbunker bauen, oder etwa auswandern, bloß, wohin, usw. Glaubenssysteme prallten aufeinander, einige wußten, was richtig ist, die meisten wußten, was falsch ist, jeder Ausweg war von düsteren Prophezeiungen umstellt. globale Verängstigung machte sich breit und vergiftete die Lebensfreude. Das Leben war kostbar und sollte mit Vorsicht behandelt werden, wie ein Mensch, der bald sterben wird, ein Todgeweihter.

Wenn wir eine persönliche Krise erleben, bestätigen wir ähnliche Symptome.

Die Weltkrise und die persönliche Krise scheinen ähnlich zu funktionieren. in jedem Fall stellen wir fest, daß es sich hier um einen Zusammenfall handelt, von Gefühlen und Ereignissen, die wir denken, nicht bewältigen zu können. Die Krise erreicht uns von allen Seiten , meist gleichzeitig. Die Krise zeichnet sich dadurch aus, daß wir uns vollkommen verlassen fühlen, alleingelassen mit den widrigsten Umständen und scheußlichsten Gefühlen. Auch unseren Nächsten und Vertrautesten können wir nicht mehr nah und vertraut sein, weil auch sie uns im Stich gelassen haben, und unserer Motivation mißtrauen. Sogar der Körper reagiert verständnislos, mit Krankheit und Zerrüttung, alle unsere Kräfte und Fähigkeiten, auf die wir gebaut haben in der Vergangenheit - vor der Krise - erscheinen uns wertlos und unbrauchbar. Die Krise ist in vollem Gang, sie tobt in uns, sie macht uns unerreichbar.

Hier ist unser erster und zentraler Einsatz gefragt: das Zugeben und das Zustimmen. Wir sind in einer Krise, ja, so ist es. Egal, wie diese Krise aussehen mag, egal , wie sie sich anderen darstellt, es ist unsere Krise, wir erleben sie. Für den einen Menschen ist der Tod seines Vaters bedeutungslos. Für den anderen bricht eine Welt zusammen. Für den einen Menschen ist ein Brief bedeutungslos, ein Kuß, eine Geste. Für den anderen bricht eine Welt zusammen. Die Entscheidung, was, und wie wichtig eine Krise für uns ist, liegt ganz bei uns. Sie stellt sich uns in der Heftigkeit unserer Gefühle. Wir wissen ganz genau, wie betroffen, wie verzweifelt wir sind, wenn wir uns ernst nehmen. Wir wissen auch genau, wie sehr uns dieser Zusammenfall von Gefühlen und Ereignissen aus der Bahn wirft. Nämlich beängstigend, allumfassend bedrohlich, umwerfend. Wenn das alles nicht der Fall ist, dann haben wir diese Krise nicht, also laßt uns uns ergeben, uns hingeben, laßt uns erkennen und zustimmen in diesen unseren Zustand.

Laßt uns jetzt einen Schritt weiter gehen, und uns die Frage stellen: wie gehen wir damit um ? Hier sind wir bereits woanders. Wir haben den Krisenstab einberufen, d.h., wir sind jetzt an der Bewältigung interessiert. Unser Kampfgeist erwacht. Und wir fragen uns: wie würde jemand anders mit dieser Krise umgehen?

Dazu möchte ich eine Anregung bringen: Wir alle kennen das Gefühl, mit den Krisen eines anderen, eines Mitmenschen, kein Problem zu haben. Wir wüßten einfach, was zu tun wäre, wie er seine Lebensumstände verändern und verbessern könnte, wie er seine Glaubenssätze neu formieren, und seine Überzeugungen ins Positive wenden könnte, welche Erfahrungen er dann anziehen könnte, und wie dadurch alles besser verlaufen könnte in seinem weiteren Leben. laßt uns doch einmal annehmen, wir wären dieser Andere, und laßt uns uns selbst diese Krise für den " Anderen " , der wir sind, betrachten, und ein Konzept der Ermutigung entwerfen für ihn. Laßt uns der Freund dieses "Anderen" sein, und ihn liebevoll beraten als Freund. Was würden wir ihm sagen? Wie würden wir ihn unterstützen?

Die Krise ist ein Freund, eine Möglichkeit ganz bei uns zu sein, ein Rückzug auf uns selbst. Wir haben uns verausgabt, und sind jetzt mit inneren Angelegenheiten beschäftigt. Wir brauchen eine Aus - Zeit, eine Zeit, ganz bei uns zu sein, zu fühlen, zu erleben, uns zu erforschen, unsere Veränderungen vorzubereiten. Es ist die Zeit kurz vor der Geburt. Wir ziehen uns zurück, und schaffen uns den Raum dafür. Die Krise erlaubt uns, diesen Raum bewußt herzustellen, ihn uns einfach zu nehmen, indem wir der Außenwelt vermitteln: so ist es !

Laßt uns bewußt und freudig in diesen Raum hineingehen. Sein Name ist: Veränderung. Sein Ziel ist positiv. Etwas Neues ist in Sicht. Ein neuer Ausblick in Euer Universum, in Eure Sterne. Ihr habt die Möglichkeit dazu geschaffen, also ist es gut so. Gebt Euch hin!

Ich glaube, es wird eine wunderschöne Zeit werden, und ich wünschte, ich wäre dabei!